Autor Thema: Der Zahn der Zeit  (Gelesen 8404 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline ditto

  • Benutzer
  • Beiträge: 295
Der Zahn der Zeit
« am: So 24.04.2016, 10:40:07 »
Neulich habe ich mir, auch weil sie günstig war, eine DDD HD32 ersteigert. Es ist eine ext. Festplatte für MFM/RLL - Platten. Der Hintergrund dafür war, eine alte ST238R von vor ca. 30 Jahren hatte ich hier noch liegen und wollte sehen, was ich denn früher so alles auf der Platte gespeichert hatte.
Leider ließ sie sich nicht mehr korrekt ansprechen, obwohl sie einfach nur 30 Jahre rumlag (Keller, Dachboden).
Ich habe sie geöffnet und fand folgendes....

An den Armen der S/L-Köpfe war eine Zersetzung zu erkennen. Zudem sah die Beschichtung der Platten irgendwie abgenutz oder verbraucht aus. Einen elektronischen Defekt konnte ich allerdings nicht feststellen.
Ich war schon etwas erstaunt, was falsche Lagerung an einer Platte so über die Jahre anstellen kann!

Offline Nervengift

  • Benutzer
  • Beiträge: 1.533
Re: Der Zahn der Zeit
« Antwort #1 am: So 24.04.2016, 22:31:33 »
Feuchtigkeit und extreme Temperaturen sind nie gut für solche Schätzchen. Das stimmt schon. Andererseits bin ich aber auch oft erstaunt, was Hardware aushalten kann. Mir fiel vor kurzem ein IBM XT vor die Füße, aus dem eine Lampe gebaut werden sollte. Derjenige, von dem ich den XT habe, ist Metaller und meinte zu mir, er hätte den mal aus einer Haushaltsauflösung und wenn er die Kiste nicht loswerde, würde er aus dem Gehäuse eine Lampe bauen. Auch wenn es ein Rechner von IBM ist, konnte ich nicht anders als das Vorhaben mit der Lampe zu verhinden. Das Teil war sehr dreckig. Ich hatte das Gefühl, dass das in einem Bauwagen oder dergleichen im Einsatz war. Nach dem Öffnen dachte ich, das war jetzt ein Schuss in den Ofen, denn es befand sich eine RTC-Karte in dem XT deren Batterie ausgelaufen war. Also hatte ich erstmal alles zerlegt. Die Suppe war in den Steckplatz reingelaufen und umliegende Lötstellen hatten eine Patina. Also habe ich tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben Elektronik mit Wasser gereingt, um die Säure von den Bauteilen zu bekommen. Danach mit Isopropanol nachgereinigt und drei Tage trocknen lassen. Die Patina hatte ich auch versucht so gut es ging zu entfernen. Allerdings zeigte sich schnell, dass die Lötstellen noch in Ordnung waren und die Patina nur sehr sehr dünn auf der Oberfläche der Lötstellen war. Von der Festplatte dachte ich eigentlich auch, dass sie hin ist und nie und nimmer geparkt worden ist. Wie auch immer, nachdem ich alles zusammen hatte, war meine Überraschung echt verdammt groß, dass alles funktionierte. Der Rechner läuft wie eine Eins! Alle Diagnosetest wurden bestanden. Inzwischen kann ich damit sogar ins Internet gehen. :D Was mich aber auch richtig überrascht hat, war die Festplatte: Eine IBM WD25 in doppelter Bauhöhe! Was für ein Trümmer! Aber der Trümmer hatte auch alle Tests bestanden und nach neuer Low Level Formatierung werkelt die Platte sogar etwas schneller. Zumindest bilde ich mir das ein. ;)

Es ist ein wenig schade, dass Deine ST238R hinüber ist. Ich mag MFM-Festplatten. Von den Geräuschen her, von der Größe her, sind es echte Monster! Vor allem auch sehr lahme Monster, wenn man sie mit heutigen Platten vergleicht, aber sie haben dennoch einen echt irren Charme. Manchmal bilde ich mir ein, dass man bei MFM Festplatten das Schreiben/Löschen einzelner Dateien hören kann. :D Das wäre zumindest mal eine Wette für "Wetten dass" gewesen!
520 ST(M) (TOS 1.02), Falcon030 (16 MHz, 16 MB RAM, CF-Karte, MiNT & MyAES), Milan040 (25 MHz, 48 MB RAM, EasyMiNT 1.90), Firebee (2nd Edition), PowerMac G5 Late 2005 (2 x 2,3 GHz, Mac OS 10.5), iMac 4K Late 2015 (intel Core i7 4 x 3,3 GHz, Mac OS 10.11.6), IBM XT SFD (640 KB RAM, DR DOS 6.0), Compaq LTE 5300 (Pentium/133 MHz, DR-DOS 7.03), AT-PC (Cyrix 6x86L/200 MHz, Windows 98 SE/MS-DOS 6.22 & Windows 3.11)

Offline ditto

  • Benutzer
  • Beiträge: 295
Re: Der Zahn der Zeit
« Antwort #2 am: So 24.04.2016, 23:19:18 »
Klasse, es freut mich immer wieder, wenn ein alter Rechner vor dem Zerlegen gerettet wird.
Im A1K-Forum hatte ich gelesen und es inzwischen auch selber ausprobiert, das Zitronensäure, nat. verdünnt, ganz gut gegen ausgelaufene Batterien sind. Sie beseitigt das ausgelaufene Material der Batterie und soll es wohl neutralisieren, sodaß es nicht weiter Schaden anrichtet.

Die alten MFM/RLL haben einen bestimmten Klang bei der Startprozedur. Diese Geräusche haben einen täglich begleitet, sodaß man sofort daran merkte, wenn etwas nicht in Ordnung war.
Die ddd-Platte hat eine intakte ST238R drin. War also nicht so schlimm. Ich habe damals einiges mit Calamus 1.09 auf dem SM124 gemacht. Das hätte ich mir gerne nochmal angesehen. :)
Heute DTP auf 12" ist ja fast undenkbar! :)

Offline Nervengift

  • Benutzer
  • Beiträge: 1.533
Re: Der Zahn der Zeit
« Antwort #3 am: Mo 25.04.2016, 20:39:41 »
Den Tipp mit der Zitronensäure werde ich mir auf jeden Fall merken. ;) Ich hoffe zwar, ich komme so schnell nicht wieder in die Situation das ausprobieren zu müssen, aber Wissen sollte eigentlich nie schaden.

Zitat
Diese Geräusche haben einen täglich begleitet, sodaß man sofort daran merkte, wenn etwas nicht in Ordnung war.

Das glaube ich gerne. Den Schätzchen hat man das sofort angehört, wenn sie "abrauchten". Irgendwie finde ich's um jede MFM-Platte schade, wenn man sie nicht mehr retten kann.

Zitat
Ich habe damals einiges mit Calamus 1.09 auf dem SM124 gemacht. Das hätte ich mir gerne nochmal angesehen. :)
Heute DTP auf 12" ist ja fast undenkbar! :)

Als kleiner Junge (das war irgendwann Ende der 80er Jahre) hatte mein Onkel in Kiel mich mal mitgenommen zu dem Zeitungsverlag, bei dem er gearbeitet hatte. Er hatte mir dort gezeigt wie die Zeitungen gesetzt wurden: Alles lauter kleine Knuddelmacs. Das war meine erste bewußte Begegnung mit Computern. Dann hatte er mit mir zusammen noch Briefpapier erstellt mit einem Briefkopf, den er für mich gesetzt hatte. Das alles kam dann auch noch aus einem Laserdrucker raus. Der Drucker war über 1 m hoch und mindestens auch 1 m lang und breit. Seitdem hatte mich die Faszination Computer nicht losgelassen. Ein paar Jahre später kam dann mein erster Computer: mein 520ST. Den hatte auch ein guter Kumpel von mir. ;)

Komischerweise ging das damals auch alles schon. Heute sind wir nur verwöhnt. ;D
520 ST(M) (TOS 1.02), Falcon030 (16 MHz, 16 MB RAM, CF-Karte, MiNT & MyAES), Milan040 (25 MHz, 48 MB RAM, EasyMiNT 1.90), Firebee (2nd Edition), PowerMac G5 Late 2005 (2 x 2,3 GHz, Mac OS 10.5), iMac 4K Late 2015 (intel Core i7 4 x 3,3 GHz, Mac OS 10.11.6), IBM XT SFD (640 KB RAM, DR DOS 6.0), Compaq LTE 5300 (Pentium/133 MHz, DR-DOS 7.03), AT-PC (Cyrix 6x86L/200 MHz, Windows 98 SE/MS-DOS 6.22 & Windows 3.11)